Ethnologie / Mantel, Jacke
Mantel, Jacke
Ein merkwürdiger Mantel: Im Schnitt und Design ähnelt er einem europäischen Mantel des 18./19. Jahrhunderts, die Verzierungen und Applikationen sind indianisches Handwerk. Er ist aus Hirschleder gefertigt, die Applikationen sind mit Borsten von Baumstachlern hergestellt, einem Stachelschwein, das auf Bäume klettern kann. Am unteren Rand ist der Mantel rot-weiss-schwarz in geometrischen Formen bemalt. Anstelle von Knöpfen hat er knopfähnliche Verzierungen. Man weiss, dass das kanadische Handelsunternehmen Hudson Bay Company Indianerinnen engagierte, um solche Mäntel zu produzieren. Die Mäntel sahen also europäisch aus, waren aber – da aus Leder gefertigt – stabiler als europäische Textilware. Interessanterweise wurde anstelle von echten Knöpfen – waren keine erhältlich? – knopfähnliche Verzierungen angebracht. Die handwerkliche Kunstfertigkeit von Frauen stand bei den indianischen Völkern in hohem Ansehen. Im Gegensatz zu den Männern, die figürlich zeichneten, arbeiteten indianische Frauen mit geometrischen Formen. Das Kunsthandwerk der Verarbeitung von Baumstachler-Borsten erlernten sie in einem Geheimbund. Die Verarbeitung der Stacheln war sehr zeit- und arbeitsintensiv und erforderte viel Geschick und Geduld. Die Rechte zur Herstellung bestimmter Muster behielt die Person, die sie geträumt oder entworfen hatte. Die Muster galten als mit übernatürlichen Kräften aufgeladen, man schrieb ihnen eine Schutzfunktion zu. Dieser Mantel ist der einzige seiner Art und das älteste aus Nordamerika stammende Sammlungsobjekt unseres Museums! Er stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist seit 1888 in Museumsbesitz und kann seit damals fast ununterbrochen in der Dauerausstellung bewundert werden. js
Herkunft: Amerika, Nordamerika, Prärie
Datierung: 1. Hälfte 19. Jh.
Material: Leder, Hirschleder, Applikation aus Stachelschweinborsten, Bemalung
Masse: H 130 x B 50 x T 40 cm
Inventarnummer: VK D
0885
Provenienz:
- Gottlieb (Gottlob) Emil Rittmeyer (18.05.1820-21.04.1904)
- 1888: Kulturmuseum St. Gallen, Schenkung
