Geschichte / Fahrrad, Hochrad "Goldschmidt & Pirzer"
Das Hochrad stammt mutmasslich aus der Produktion der ersten Fahrradfabrik auf kontinentaleuropäischem Boden, der Firma Goldschmidt & Pirzer, ehemals ansässig im bayrischen Neumarkt. Sie fertigte die Hochräder vermutlich nach englischen Vorbildern. Schnell hatte das Fahrrad seine Anhängerschaft gefunden. Veloclubs wurden gegründet, und in den Städten entwickelte es sich zum geeigneten Mittel für den Individualverkehr. Im Vergleich zu Pferd und Kutsche war es wesentlich günstiger zu erwerben und zu unterhalten. Permanent suchten die Erfinder nach Lösungen, um die Technik des neuen Verkehrsmittels zu verbessern. In den 1880er-Jahren kamen Luftreifen auf, und der übersetzte Antrieb wurde eingebaut. Der Komfortgewinn und die Fahrbarkeit stiegen mit der nun möglichen Verwendung von Vorder- und Hinterrad in gleicher Grösse. Das Hochrad hatte noch keines dieser Komfortmerkmale vorzuweisen, einzig der Schnursattel der Firma Nagel sorgte für ein wenig Entspannung für das «Sitzfleisch». Aus heutiger Sicht wirkt ein Hochrad mit seinen zwei ungleich grossen Rädern ungewohnt, ja akrobatisch. Bei allen Schwierigkeiten, die es bot, wie beispielsweise das Aufsteigen über das Hinterrad, ermöglichte der direkte Pedalkurbelantrieb auf das grosse Vorderrad viel höhere Geschwindigkeiten, als man es bis anhin gewohnt war. Mit etwas Verspätung wurde auch in der Schweiz die Fahrradproduktion aufgenommen. 1895 sind 14 Fahrradfabriken verzeichnet. Wie dieses Exemplar in die Schweiz und an seinen Verwendungsort in Oberriet kam, ist nicht überliefert. 1932 fand das Hochrad nach geschätzten vierzig Jahren auf der Strasse den Weg in die Museumssammlung. Seitdem wird es nicht nur aus Sicherheitsgründen nicht mehr gefahren, sondern auch, um der Nachwelt ein einzigartiges Zeugnis der Verkehrsgeschichte zu erhalten. as
Herkunft: Europa, Schweiz, Deutschland, Nürnberg
Datierung: Ende 19. Jh.
Hersteller(in): Goldschmidt & Pirzer
Material: Eisen, Holz, Leder
Masse: H 154,5 x B 163 x T 69 cm
Inventarnummer: G 14086
Provenienz:
- 30.09.1932: Theobald Stieger, Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen